Elektronische Daten als wichtige Informationsquelle
Mit dem Einzug der Digitalelektronik in alle Bereiche des Verkehrswesens werden immer größere Mengen an unfallrelevanten Daten verarbeitet und gespeichert. Dabei werden nicht nur in den unfallbeteiligten Fahrzeugen Daten gesammelt, sondern auch in Dashcams anderer Fahrzeuge, in Überwachungskameras oder auch in großen Ampelanlagen, die z.T. über eine Anbindung an Verkehrsleitssysteme verfügen.
Daten aus Ampelanlagen
Bei modernen Lichtzeichenanlagen (LZA) werden lokal Protokolle gespeichert, aus denen die Schaltzustände der Ampelanlage in Abhängigkeit von der Uhrzeit hervorgehen. Diese Daten sind für einen Zeitraum von Stunden bis zu wenigen Tagen – je nach Bauart der Anlage – verfügbar und können somit im Rahmen einer Unfallaufnahme gesichert werden. Dabei konnten im Rahmen von gerichtlichen Gutachten nicht nur Rotlichtverstöße, sondern auch die Geschwindigkeiten der unfallbeteiligten Fahrzeuge und damit der Unfallhergang eindeutig rekonstruiert werden.
Daten aus Fehlerspeichereinträgen und fahrzeuginterne Daten
Moderne Fahrzeuge verfügen über Fehlespeicher, in denen Unfallereignisse mit Schäden an Sensoren oder elektrischen Systemen mit Geschwindigkeitsdaten oder bspw. dem km-Stand gespeichert werden. Diese Daten sind aber häufig stark fehlerbehaftet, so dass im Einzelfall geprüft werden muss, wie belastbar die gespeicherten Werte sind und wie sie mit dem Unfallereignis im Zusammenhang stehen. So gibt es beispielsweise Hersteller, die einen Defekt eines Rücklichtes oder eines Parksensors lediglich als Fehlfunktion Rücklicht bzw. Parksensor abspeichern, während andere Hersteller zu diesem Fehler umfangreiche Zusatzdaten wie Kilometerstand, aktuelle Geschwindigkeit, Batteriespannung und Systemzeit erfassen und abspeichern. Diese Daten sind nicht immer sehr genau, da je nach Fahrzustand des Fahrzeugs die Eigengeschwindigkeit durch rutschende Räder nicht mehr richtig bestimmt werden kann oder die tatsächliche Systemzeit des Fehlers durch andere technische Vorgänge auf den Bus-Systemen verzögert gespeichert wird.
Daten aus Steuergerätespeichern
Häufig wird in Gerichtsprozessen gefragt, ob eine Fehlfunktion eines Steuergerätes vorliegt oder ein Software-Update in einer Werkstatt möglicherweise fehlerhaft durchgeführt wurde. Speziell wenn nach einem Softwareupdate das Gerät nicht mehr funktionsfähig ist, wird gefragt, ob das Gerät einen Hardwaredefekt aufweist oder eine falsch aufgespielte Software der Grund für den Ausfall ist. Die folgenden Bilder zeigen die Untersuchung der Software eines Infotainmentsystems, welches nach einem Softwareupdate in der Werkstatt nicht mehr funktionsfähig war.
Im Vergleich mit einem funktionsfähigen Gerät konnte gezeigt werden, dass das Softwareupdate unvollständig durchgeführt wurde.
Daten aus Airbag-Steuergeräten und EDR-Daten
Durch die verpflichtende Richtlinie 49 CFR Part 563 ist seit September 2014 jeder Hersteller in der Pflicht, bei einem Pkw für den amerikanischen Markt eine sogenannte EDR-Funktion in das Fahrzeug zu integrieren. EDR meint hiermit einen sogenannten Event-Data-Recorder, der die Beschleunigungsdaten und andere unfallrelevante Daten in einem auslesbaren Format abspeichert. Die Airbag-Steuergeräte der Fahrzeuge, die sich über den EDR-Standard auslesen lassen, stellen eine besonders wichtige Informationsquelle für den technischen Sachverständigen dar, da sie vergleichbar mit einem UDS in hoher Auflösung die Beschleunigungsdaten des Fahrzeugs speichern und damit eine genaue Berechnung der zweidimensionalen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung und damit auch der Insassenbelastung erlauben.
Auslesen von Steuergeräten:
Unfalldaten und versteckte Hinweise
Durch die enorme Anzahl von elektronischen Steuergeräten wird eine Vielzahl von Daten in einem Fahrzeug verarbeitet und gespeichert.
Das Auslesen von Steuergeräten bietet bei der Rekonstruktion von Verkehrsunfällen wertvolle Hinweise. Insbesondere bei Fahrzeugen mit Fahrassistenzsystemen ist die Auswertung von elektronischen Daten notwendig.
Navigations- und Telematikdaten sind im Rahmen von Manipulation und Fahrzeugdiebstahl von zentraler Bedeutung. Bei vielen Oberklasse-Fahrzeugen ist es mittlerweile möglich, per Sonderausstattung Online-Systeme zu integrieren, die über eine eigene dauerhafte Mobilfunkverbindung Daten mit zentralen Servern der jeweiligen Fahrzeughersteller austauschen. Hierbei werden beispielsweise Fehlermeldungen übertragen oder über die e-Call-Funktion auch automatische Notrufe abgesetzt. Es hängt vom Fahrzeughersteller ab, ob und welche Daten dort nachträglich gewonnen werden können.
Dr. rer. nat. Ingo Holtkötter
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Uwe Golder
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dr. rer. nat. Tim Hoger
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Joost Wolbers
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Ing. Robert Dietrich
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dr. rer. nat. Jens Bastek
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Phys. Severin Schlottbom
ö.b.u.v. Sachverständiger der IHK Nord Westfalen
Dipl.-Phys. Annika Kortmann
ö.b.u.v. Sachverständige der IHK Nord Westfalen